Anmerkung der Autorin: 

Dies ist ein Work-in-Progress-Projekt. Alle zwei Wochen – immer sonntags – erscheint das nächste Kapitel aus Jaxons Sicht. Also stay tuned und abonniere meinen Newsletter, wenn du Bescheid wissen möchtest, wann das nächste Kapitel erscheint. 

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Und jetzt viel Spaß beim Lesen!

Deine Julie

Es ist jedes Jahr der gleiche Anblick. Junge Gesichter, die meisten entschlossen, manche von Angst geprägt. Ich kann nicht anders, als mir vorzustellen, dass die meisten von ihnen in weniger als drei Jahren nicht mehr am Leben sein werden. Ja, wir haben die Animan an unserer Seite. Aber die Kikono sind so bestialisch, so tödlich – unsere Ausbildung kann nicht hart genug sein, um diese jungen Leute darauf vorzubereiten.

»Seht euch die Personen links und rechts von euch an“, sagt Brewer. Jedes Jahr dieselben Worte. Trotzdem geht keiner von ihnen. Sie sind so weit gekommen, jeder getrieben von der Hoffnung, dass nicht sie es sein werden, die sterben, dass sie auf eine mystische, wundersame Weise überleben werden. Was für ein Trugschluss. Was für ein Irrtum. Was gäbe ich dafür, wenn das Sterben ein Ende hätte? Nun, im schlimmsten Fall wohl das Leben meiner Schwester. Jedenfalls, wenn die Visionen in meinem Kopf mich nicht trügen.

»Am Ende dieser Ausbildung werden entweder sie oder ihr tot sein.«

Landoras beugt sich zu mir und flüstert hinter vorgehaltener Hand. »Es sind weniger als sonst. Und sieh dir an, wie schwach sie aussehen. Vor allem die Kikono. Man könnte meinen, sie schicken uns mit Absicht ihre Schwächlinge.«

Ich ignoriere ihn. Seine Kikono-feindlichen Ansichten interessieren mich nicht. Ja, die Bedingungen sind nicht optimal, das sehe ich auch. Es sind weniger als sonst und nein, die Kikono sind nicht besonders fit. Aber ich bin froh um jeden, der sich uns ehrlich anschließt. 

»Willkommen auf Blossom Chill« fährt Brewer fort. »Der einzigen Akademie, in der wir Domore unsere Kämpfer ausbilden. Ihr werdet hier lernen, was es bedeutet, Schmerzen zu erleiden und trotzdem zu kämpfen. Der Tod wird euer täglicher Begleiter sein und fünfzig Prozent von euch sind am Ende dieser Ausbildung bei den Göttern.«

Wie recht er hat. So verdammt viele sterben schon in unseren Mauern. Aber wir mussten lernen, dass die Schwachen auf dem Schlachtfeld eine Gefahr für die komplette Truppe darstellen. Wer schwach ist, hält auf. Wer schwach ist, macht es unseren Feinden einfach. Also sieben wir rigoros aus. Niemand, der es nicht würdig ist, überlebt Blossom Chill. Die Akademie freiwillig verlassen, können sie auch nicht. Die Domore unter ihnen wären eine Schande für ihre Familie. Und die Kikono? Die wären Heimatlose. Dazu verdammt, sich irgendwo in den eisigen Bergen Domores zu verstecken.

»Aber falls ihr überlebt, werdet ihr an der Seite unserer Kämpfer an die Front ziehen und für unser Land kämpfen.«

In der dritten Reihe redet der verdammte Verräter auf die Rothaarige ein. Lernt man bei denen nicht, dass man still zu sein hat, wenn ein Kommandant spricht? Gerade er müsste es besser wissen. Oder denkt er, weil er ein Soldat der Kikono ist, müsse er nichts fürchten? Im Gegensatz zu vielen anderen wird er die Ausbildung überleben. Anders als sie. Sie wird sterben, wenn sie keine Hilfe bekommt. Verrückt, wie ähnlich sie ihrem Bruder sieht. Wenn ich sie betrachte, sehe ich sein Gesicht vor meinen Augen. Und seinen Tod. Es ist wie ein Fluch, der auf mir liegt. Erst verfolgte mich Pakal nur in meinen Träumen. Jetzt wird mich seine verdammte Schwester jeden Tag daran erinnern, was ich getan habe. Ihr Blick fällt auf mich. Für gewöhnlich sehen Kadetten durch mich hindurch, ignorieren mich, wagen es nicht, meine Aufmerksamkeit auf sie zu ziehen. Diese Frau aber ist anders. Sie ist stolz, eitel. Alles an ihr schreit Verrat. Wie dumm sie ist. Schön, aber dumm. 

»Nun übergebe ich das Wort an den Leiter der Ausbildungsstätte. Jaxon, sie gehören dir.«

Ich stehe auf und trete vor. Legas folgt mir, geschmeidig wie eh und je. Dieser Panther ist mein Ebenbild. Nur mit ihm an meiner Seite bin ich vollständig. Seit wir verbunden sind, weiß ich, was mir all die Jahre gefehlt hat. Ich dachte immer, es wären meine Eltern, aber das stimmte nicht. Es war mein Animan, das mich vervollständigt hat. Er ist mein Spiegel, er ist mein Abbild, mein Schutzschild und Panzer. Mit ihm an meiner Seite fühle ich mich unbesiegbar. 

»Kadetten«, rufe ich gelassen. Für mich gibt es keinen Grund nervös zu sein. Ich bin der Boss auf Blossom Chill und das sollen sie wissen. Außerdem ist die Welt da draußen unsicher genug. Sie sollen wenigstens das Gefühl haben, in mir Sicherheit zu finden. »Die Zeit hier wird euch vorkommen wie ein Aufenthalt in der Hölle. Und ja, viele von euch werden dabei sterben. Aber es bereitet euch auf das vor, was da draußen auf euch wartet. Auf unbarmherzige, absolut wilde Kreaturen – die Kikono. Wenn ihr diese Hölle hier überlebt, habt ihr eine vage Vorstellung davon, was euch an der Front bevorsteht.« Ich lasse den Blick schweifen. Niemand sagt ein Wort, nicht mal ein Husten oder Räuspern ist zu hören. Sie sind wie ängstliche Lämmer, die dem Hirten folgen. Gut so. »Hier bereiten wir euch auf die Schlacht vor, die über das Schicksal unseres Volkes entscheidet. Freiheit oder Tod.« Ich hoffe, die Botschaft kommt an. Hier geht es verdammt nochmal um das Leben und die Zukunft unseres Volkes. Wir können nicht zulassen, dass die Kikono unser Land einnehmen. Es wäre das Ende für unsere Kinder. »Während ihr in der härtesten Ausbildung steckt, die es gibt, werden im Hintergrund Vorbereitungen für einen neuen, nie dagewesenen Vergeltungsschlag getroffen.« Während ich darüber rede, kann ich eine Vision beobachten, die zeigt, wie die Rothaarige daran teilnehmen wird. Lächerlich. Einfach lächerlich. »Beweist, dass ihr gut seid, dass ihr sehr gut seid, und ihr werdet die Ehre haben, an diesem wahrscheinlich entscheidenden Auftrag teilnehmen zu können.« Niemals wird sie gut genug sein, um an dieser Mission teilzunehmen. Sie kann froh sein, wenn sie die erste Woche überlebt. »Wir werden euch in Zweierteams einteilen und ihr werdet hier und jetzt gegeneinander kämpfen. Unbewaffnet. Am Ende dieser Kämpfe werdet ihr in Gruppen eingeteilt. Die Besten zu den Besten. Die Schwächsten zu den Schwächsten.« Was es uns einfacher macht, die Unwürdigen auszusortieren. »Die Teams werden alphabetisch nach eurem Namen eingeteilt. Strauz – vorlesen.«

Strauz tritt mit der diesmal recht kurzen Liste der Kadetten vor und ruft: »Wessen Namen ich als erstes verlese, geht auf die rechte Seite. Der zweitgenannte geht zu meiner Linken. Findet eure Gegner und beginnt den Kampf auf mein Zeichen. Lynn, Ailan und Caspar, Anouk.«

Das Verlesen wird eine Weile dauern. Es ist der langweiligste Teil. Ich setze mich und streiche Legas über den weichen, warmen Kopf. Wenigstens etwas Wärme in dieser kalten Hölle.

»Wann gewöhnst du dich endlich an die Kälte? Der härteste Kämpfer von allen, aber ein Weichei wenn es kalt ist.«

»Halt die Klappe. Nicht jeder hat ein Fell, das ihn warm hält.«

»Du trägst das Fell eines Schwarzbären – sei nicht so wehleidig.«

Ich schaue mich auf dem Platz um. Es müssen hunderte junge Menschen hier stehen. Das Verlesen kann also eine Weile dauern. Dabei ist die Kälte unerträglich. Sie kriecht mir unter die Kleidung und bis in die Knochen. Ich ziehe die Schultern hoch, aber dadurch verkrampfen sich die Muskeln an meinem Nacken und Rücken.

 

Irgendwann verliest Strauz ihren Namen. »Lyomal, Eina.« Ein Raunen geht durch die Menge und Köpfe sehen sich suchend nach ihr um. Obwohl die Umstehenden auf sie zeigen und unruhiges Getuschel herrscht, starrt sie Strauz an, als würde sie von alldem nichts mitbekommen.  »… und Manson, Elenor.«

Eine stämmige Frau mit hartem Blick, kantigem Kinn und wildem dunklem Haar tritt vor. Das wird eine schwere Aufgabe für die Rothaarige. Meine Vision zeigt mir den Kampf, zeigt mir, dass sie ihn verliert – nein, sie gewinnt ihn! Das will ich live sehen. Während die Kämpfe beginnen, gehe ich zu ihrem, beobachte genau, wie Manson mit ihr spielt.

Die Rothaarige landet auf dem Boden und hustet, bleibt einfach liegen. Manson stellt einen Fuß auf ihren Rücken und ruft: »Das soll eine Lyomal sein? Wenn das hier das Beste ist, was die Kikono zu bieten haben, mache ich mir um den Sieg Domores keine Sorgen.«

Trotz der Schande bleibt sie still liegen. Was glaubt sie? Dass sie Blossom Chill überlebt, wenn sie sich tot stellt? »Worauf wartest du?«, ruft Panderwick. »Bring sie um! Sie ist zu schwach für die Ausbildung. Töte sie.«

Aber die Domore zögert und Pakals Schwester weiß das für sich zu nutzen. Blitzschnell fährt sie herum und bringe ihre Gegnerin damit aus dem Gleichgewicht. Manson taumelt und Lyomal tritt ihr mit dem Fuß gegen das Knie ihres Standbeins. Das war’s für Manson. Lyomal hat gewonnen. Eine komplette Anfängerin. Wie viel Wut, wie viel Talent, wie viel Kampfgeist muss man in sich tragen, um so ein Duell zu gewinnen. Sie ist wie ihr Bruder. Vielleicht sogar gefährlicher, weil man sie unterschätzt. Aber ich werde diesen Fehler nicht machen. O nein. Dieses Mädchen ist eine Gefahr für Domore – so lange sie gegen uns ist, auf jeden Fall. 

»So wendet sich das Blatt«, sagt Panderwick und fordert Lyomal auf, ihre Gegnerin zu töten. Bei den Göttern, dieses Mädchen ist so arrogant! Wie kann sie es wagen, einer Ausbilderin zu widersprechen! Wie kann sie glauben, das ungestraft zu tun? Oder ist ihr eine Strafe egal? 

Sie schüttele den Kopf und zieht damit Panderwicks Hass auf sich. 

»Ich sagte, du sollst sie töten.«

»Nein«, sage sie leise aber deutlich.

»Du widersetzt dich meinem Befehl?«

»Ich will Kikono töten. Keine Domore. Ma‘am.« Was für eine verdammt gute Lügnerin.

Sie sieht mich an und in meinem Magen kribbelt es. Verdammt! Dieses Kribbeln ist nicht wahr. Nein! Es ist nicht das, wonach es sich anfühlt. Auf keinen Fall. Trotzdem trete ich den Rückzug an. Na wunderbar, ich fliehe vor den Blicken der Rothaarigen. 

Am 16. Februar geht es an dieser Stelle weiter. 

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